TTC Langen – MTV Engelbostel-Schulenburg 6:1
Circa 100 begeisterte Zuschauer in der Sporthalle des Dreieich Gymnasiums erlebten am Samstag einen starken Auftritt des letztjährigen Aufsteigers TTC Langen. Als Tabellenneunter der 2. Bundesliga war man in das Entscheidungsspiel um den letzten freien Platz in der zweithöchsten deutschen Spielklasse eingezogen. Das Ticket dafür hatte man erst 14 Tage zuvor am letzten Spieltag der Punktrunde mit dem unerwarteten 6:1-Derbysieg über Vizemeister Langstadt II gelöst.
Gegen den Drittliga-Nord-Zweiten Engelbostel-Schulenburg präsentierte man sich auf den Punkt topfit und hoch fokussiert und siegte mit 6:1, auch wenn der Erfolg gegen einen gut mitspielenden Gegner gewiss einen Tick zu deutlich ausgefallen ist. Am Ende einer schwierigen Saison belohnte man sich und sicherte nicht nur der „Ersten“ den Klassenerhalt, sondern gleich auch noch dem „B-Team“, das nun in der 3. Liga bleiben kann. Bei einem Abstieg von Bondareva und Kolleginnen hätte auch die „Zweite“ kommende Saison eine Klasse tiefer, nämlich in der Regionalliga, spielen müssen, da in den drei höchsten Spielklassen laut Reglement des Deutschen Tischtennis-Bundes keine zwei Mannschaften eines Vereins gemeinsam in einer Liga antreten dürfen.
Beide Teams mit personellen Experimenten
Der Gast aus Niedersachsen war mit einer Ersatzspielerin angereist, die Nummer vier Ashley-Joesephine Pusch, spielt etatmäßig im Regionalligateam. Das starke vordere Paarkreuz mit der Ukrainerin Veronika Hud, beste Spielerin der 3. Liga Nord, und der 14-jährigen deutschen Schülerinnen-Nationalspielerin Laura Milos war aber dabei sowie eine Nummer drei, Jessika-Joyce Xu, die in der Rückrunde bei ausgeglichener Bilanz achtmal zum Einsatz kam und somit eigentlich als Stammspielerin zu bewerten ist.
Auch der TTC Langen konnte personell nicht uneingeschränkt aus dem Vollen schöpfen, hatte allerdings mit Anastasia Bondareva, Martine Toftaker und Mariia Voitekhova die drei Besten aufgeboten – es ist immer ein großes Plus, wenn Defensivstrategin Voitekhova hinten spielen kann, da dort nur wenige mit ihrem Spielsystem und den gefährlichen Aufschlägen klarkommen, während vorne die meisten ihr virtuoses Spiel recht gut lesen können. Alina Jajeh und Ramona Betz standen aufgrund privater Verpflichtungen, die schon längerfristig geplant waren, leider nicht zur Verfügung
Die 15-jährige Veronika Vasylenko kam ebenso in Frage wie die zwei Jahre ältere Brenda Rühmkorff, die in der Rückrunde im B-Team als einzige Akteurin eine positive Bilanz erspielt hatte, allerdings fast ohne Zweitliga-Erfahrung war. Die Tendenz der Rückrunde sprach für Rühmkorff, die lediglich im Vorrunden-Derby in Langstadt zum Einsatz gekommen war und auch am Samstag das Vertrauen erhielt.
Dass ich Doppel spielen würde, hatten wir schon vorher festgelegt“, so die hochgewachsene junge Langenerin, die im Jugendbereich des Hessischen Tischtennis-Verbandes sehr erfolgreich spielt. Mein Einsatz im Einzel war offen, wir wollten es von der Tagesform abhängig machen. Und ich hatte schon beim Einspielen ein gutes Gefühl.
Perfekter Start in den Doppeln
Dass ihr Einsatz keine schlechte Entscheidung war, zeigte sich bereits im Doppel. Da behauptete sich nämlich die „nagelneue“ Kombination Toftaker/Rühmkorff gegen Xu/Pusch nach 0:1-Satzrückstand in vier Durchgängen und hatte letztlich das Geschehen gut unter Kontrolle. Es wirkte so, als hätten die beiden schon oft zusammen gespielt, doch das war nicht der Fall.
Nein, trainiert hatten wir vorher kein einziges Mal“, erläuterte Rühmkorff. „Ganz ehrlich: Ich kannte Martine vor dem heutigen Spiel noch gar nicht persönlich, ich bin ihr am Samstag zum ersten Mal begegnet. An ihrer Seite im Doppel spielt es sich sehr angenehm.
Da das eingespielte Duo Bondareva/Voitekhova nach einigen Zittermomenten gegen Hud/Milos mit 3:2 siegte, ging man mit einem erleichternden 2:0 in die Einzel. Doch gewonnen war noch lange nichts.
Toftaker legt nach, doch „Frontfrau“ Bondareva will zu viel
Allerdings konnte Norwegens Nummer eins Toftaker nachlegen, mit deren starker Rückhand Hud drei Sätze lang arge Probleme hatte. Eine etwas hitzige, einen Tick übermotivierte Anastasia Bondareva zog im Anschluss gegen Engelbostels Youngster Milos – auf Facebook und Instagram vielen Followern als „TT Princess“ bekannt – in fünf Durchgängen den Kürzeren. Man muss aber auch anerkennen, dass die 14-Jährige, die eher wie Zwölf wirkt, über weite Strecken fast perfekt spielte.
Dass Laura Milos so stark gespielt hat, hat mich schon ein bisschen überrascht“, sagte Bondareva später. „Ich habe gegen sie aber auch etwas übermotiviert gespielt und wollte zu viel, denn mich hat der Druck innerlich schon mitgenommen, um den Klassenerhalt von zwei Mannschaften zu spielen. Ich habe mich zu schnell aufgeregt und mit verschlagenen Bällen gehadert. Und mir auch eine gelbe Karte eingefangen, weil ich zu hitzig war.
Brenda Rühmkorff bringt ihr Team dem Klassenerhalt ganz nahe
3:1, dass das hintere Paarkreuz nun weichenstellend sein würde, war jedem klar. Und es lief nicht schlecht, denn Pusch spielte zwar gegen Voitekhova phasenweise recht ordentlich mit, besaß aber keine echte Siegchance.
Am Nachbartisch „roch“ es aber lange nach dem zweiten Punkt der Niedersachsen. Jessika Xu brannte gegen Brenda Rühmkorff ein wahres Offensiv-Feuerwerk ab, spielte extrem fest und schnell und hatte in den ersten beiden Sätzen auf fast alle Bemühungen der Langenerin die bessere Antwort parat. Doch dann zeigte Rühmkorff, dass sie zu Recht für die wichtigste Partie der gesamten Saison nominiert worden war. Nach einer Umstellung der Taktik drehte sie das Match und traf plötzlich aus allen Lagen. An der verzweifelten Miene ihrer Gegnerin war abzulesen, dass dieser nichts mehr einfiel. Die junge Hessin hatte durch ihr 1:11, 7:11, 11:4, 11:7 und 11:5 den TTC Langen dem Klassenerhalt in zwei Ligen ganz nahe gebracht.
Ich habe zu Anfang taktisch unklug gespielt“, räumte Rühmkorff ein. „Ab dem dritten Satz habe ich mein Spiel umgestellt und meine Gegnerin anders angespielt. Es hat funktioniert und ich habe dann immer besser in meinen Spielrhythmus gefunden.
Rühmkorffs Coach Sandra Dony gab später einen Einblick in die Beratungen während der Satzpause:
Brenda hat gegen Xu ab dem dritten Satz nach einer Umstellung ihrer Taktik hervorragend gespielt. Anfänglich war sie gar nicht so überzeugt, dass die taktische Änderung etwas bringen würde. Unsere Diskussion lief in etwa so: „Versuch’s doch mal die ersten drei Bälle, wenn du merkst, es bringt was, dann bleib dabei. Wenn nicht, spielst du halt so, wie du es für richtig hältst.“ [Augenzwinkernd] Gut, dass sie dabei geblieben ist.
Anastasia Bondareva vollendet das Werk
Rühmkorffs Erfolg bedeutete fast schon die Entscheidung, da man nun schlechtestenfalls noch 5:5 spielen konnte, jedoch nach Sätzen mit 17:8 vorne lag. Das noch einzubüßen, wäre einem kleinen Wunder nahegekommen, natürlich keinem jener Wunder, wie man sie sich bisweilen erhofft. Doch im Tischtennis ist nicht alles, aber bekanntlich sehr vieles möglich und natürlich waren maximal noch vier Einzel zu spielen. Hätte Engelbostel alle mit 3:0 gewonnen, wäre man noch vorbeigezogen – bei viermal 3:1 für die Niedersachsen hätte aber schon Langen triumphiert.
Nachdem Anastasia Bondareva im Spitzeneinzel gegen Veronika Hud mit 2:0 Sätzen in Führung gegangen war, war die Messe so gut wie gelesen, da am Nebentisch Martine Toftaker gegen Laura Milos den ersten Durchgang gewonnen hatte – somit hätte es, wenn es tatsächlich zu einer Entscheidung nach Sätzen gekommen wäre, schlechtestenfalls noch einen 20:20-Gleichstand geben können. Als die Norwegerin kurz darauf zwei Sätze auf der Habenseite hatte, konnte nichts mehr schiefgehen, denn nun war ein 21:20 nach Sätzen das schlechteste, was aus Langener Sicht noch passieren konnte.
Bondareva hatte indes keine Lust auf Rechenspielchen, nachdem ihre stärker gewordene Gegnerin zum 2:2 ausgeglichen hatte. Die 21-jährige Ex-Erstligaspielerin traf im Entscheidungssatz nahezu jeden Ball und machte mit einem fulminanten 11:2 den Sack endgültig zu. Es durfte gefeiert werden und der Siegessekt floss.
„Erleichtert und sehr glücklich“: Langener Stimmen zum Klassenerhalt
„Ich bin erleichtert und sehr glücklich“, freute sich Langens Spitzenspielerin. „Wir haben verdient gewonnen, auch in der Höhe, da wir alle auf den Punkt top fokussiert waren, uns nervenstark gezeigt haben und gutes Tischtennis abrufen konnten. Ich bin stolz auf die Mädels, jede hat etwas zum Sieg beigesteuert. Wichtig waren natürlich die gewonnenen beiden Doppel am Anfang, das hat uns Sicherheit gegeben. Und die vielen Fans waren wieder spitze und haben uns toll angefeuert.“ Bondareva bilanzierte: „Insgesamt ein verdienter Klassenerhalt, denn in der Saison war manches unglücklich gelaufen und wir hatten viel Pech, zum Beispiel im März bei den drei 4:6-Niederlagen hintereinander.“
Auch Brenda Rühmkorff strahlte über das ganze Gesicht: „Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht und unser Sieg war absolut verdient. Dass wir heute um den Klassenerhalt der ersten und zweiten Mannschaft gespielt haben, konnte ich zum Glück ausblenden und mich voll und ganz auf meine Spiele fokussieren. Vorher hatte ich schon mehrfach darüber nachgedacht. Im Spiel darf man sowas aber nicht im Kopf haben, sonst wird der Druck einfach zu groß.“
Auch Sportwart Heiko Keller war rundum zufrieden:
Der Klassenerhalt ist geschafft. Trotz des relativ deutlichen Ergebnisses war das eine knappe Begegnung, bei der wir in den wichtigen Situationen das Glück erzwungen haben. In einem großen Kampf belohnen wir uns und feiern so einen erfolgreichen Abschluss unserer Aufholjagd. Brenda hat heute ihren Saisonendspurt mit für sie – und in der Situation auch für uns – ganz wichtigen Erfolgen gekrönt.
Nach erfolgreicher Saison: Weichenstellung für 2024/25 im Fokus
In den nächsten dreieinhalb Wochen kommt viel Arbeit auf das Vereinsmanagement zu. „Wir versuchen, alle zusammenzuhalten, nur Ramona verlässt uns leider“, erklärte Keller. Vielleicht gibt es bei den Damen in den unteren Mannschaften Veränderungen. Da ist aber noch nicht fest. Und die Planungen für 3. Liga und Regionalliga können wir erst jetzt so richtig starten.“
Unter dem Strich erneut eine überaus erfolgreiche Saison des TTC Langen. Die ersten und zweiten Damen halten ihre hohen Spielklassen, wenn auch erst im „Nachsitzen“, die dritte Mannschaft steigt in die Regionalliga auf, die vierte in die Oberliga. Nicht zu vergessen die ersten Herren, die unlängst in einem fulminanten Schlusspurt den Klassenerhalt in der Regionalliga unter Dach und Fach gebracht haben.
Gastbeitrag von Dr. Stephan Roscher